Ungesehen, ungelesen – warum Frauen oft das Nachsehen haben

Federico Zandomeneghi (1874), Public Domain

Heute ist internationaler Frauentag! Vor fast 50 Jahren riefen die Vereinten Nationen diesen Tag aus[1], und seitdem wird der 8. März von Menschen überall auf der Welt begangen – in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist er sogar ein echter gesetzlicher Feiertag! Doch schon Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in New York City den ersten „National Women’s Day“. Was damals als Arbeiterinnen-Bewegung begann und ungerechte Behandlung, schlechte Bezahlung und mangelnde Beteiligung von Frauen anprangerte, hat auch in unserer Gesellschaft noch seine Berechtigung.

Ich lese gerade ein spannendes Buch zu diesem Thema: Unsichtbare Frauen von Caroline Criado-Perez. Die britische Journalistin beschreibt darin anhand zahlreicher Beispiele, wie männerorientiert unsere Gesellschaft ist. Von Männern für Männer gemacht. Gar nicht mal in böser Absicht, sondern einfach, weil man(n) nicht auf die Idee kommt, Frauen zu befragen und zu berücksichtigen, wenn es um ganz praktische Dinge wie die Zahl der Damentoiletten, die Streckenführung des ÖPNV oder die Verträglichkeit von Medikamenten geht. Sogar beim Klavierspielen sind Frauen benachteiligt, weil die Tasten an Männerhänden ausgerichtet sind![2]

Es gibt also nicht nur den bekannten Gender Pay Gap – also ungleiche Entlohnung für gleiche Arbeit – sondern auch einen Gender Data Gap, eine geschlechtsbezogene Datenlücke. Das betrifft auch die Literatur bzw. den Unterricht an Schulen und Hochschulen. Denn auf den Lektürelisten finden sich nicht viele „Klassiker“ aus Frauenhand und -hirn – und zwar nicht, weil sie keine Bücher geschrieben hätten, denn das haben sie, wenn in der Vergangenheit auch unter ungleich schwierigeren Bedingungen. Vielmehr hatte die (männliche) Literaturwissenschaft ihre Werke einfach nicht im Blick.

Heute schreiben ebenso viele Frauen wie Männer Bücher vom Bestseller bis zum Nischenprodukt. Aber Rezensionen im Feuilleton behandeln immer noch zu zwei Dritteln Titel von männlichen Autoren. Und die Männer unter den Rezensenten schreiben sogar zu 75 % über Werke ihrer Geschlechtsgenossen![3] Es gibt also noch viel zu tun, um Frauen und ihre kreative Arbeit angemessen zu würdigen – und der internationale Frauentag ist ein guter Anlass dafür!


[1] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Am-8-Maerz-ist-Weltfrauentag-Fuer-Frauenrechte-und-Gleichstellung,frauentag394.html

[2] https://www.mdr.de/wissen/empfehlung-was-wir-lesen-unsichtbare-frauen100.html

[3] https://www.deutschlandfunk.de/literatur-von-frauen-nachzaehlen-macht-benachteiligung-100.html

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